EuGH-Generalanwalt hält Mindest- und Höchstsätze der HOAI für unvereinbar mit EU-Recht

März 2019

Nach Ansicht der Kommission verstößt die deutsche Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gegen die Niederlassungsfreiheit. Dieses Preissystem erschwere nämlich die Niederlassung von Architekten und Ingenieuren, die mit Angeboten außerhalb des zugelassenen Preisrahmens mit etablierten Anbietern in Wettbewerb treten wollten. Die Kommission hat daher eine Vertragsverletzungsklage gegen Deutschland beim Gerichtshof erhoben.

Der Generalanwalt Szpunar hat dem EuGH in seinen Schlussanträgen vom 28. Februar 2019 vorgeschlagen, der Klage der Kommission stattzugeben und zu erklären, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen hat, indem sie Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure zwingenden Mindest- und Höchstsätzen unterworfen hat.

Nach Ansicht des Generalanwalts greifen die streitigen Bestimmungen der HOAI, die für Planungsleistungen (nicht hingegen für Beratungsleistungen, diese sind nicht verbindlich geregelt) Mindest- und Höchstpreise vorsehen, in die Privatautonomie ein, beeinträchtigen die Möglichkeit der Unternehmen, über den Preis zu konkurrieren, und beschränken die Niederlassungsfreiheit. Als mögliche Rechtfertigung der in Rede stehenden Beschränkung kämen nur zwei zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Betracht, nämlich der Verbraucherschutz und die Gewährleistung eines hohen Qualitätsniveaus. Deutschland habe jedoch nicht nachgewiesen, dass die Festsetzung von Mindestpreisen geeignet sei, eine hohe Qualität von Architektur- und Ingenieurdienstleistungen zu erreichen, sondern habe sich auf allgemeine Erwägungen und Vermutungen beschränkt. Den Kern seines Vorbringens – ein verstärkter Preiswettbewerb führe zu einer Minderung der Qualität der Dienstleistungen – habe Deutschland nicht dargetan. Nach Ansicht des Generalanwalts gilt der Wettbewerb bei Dienstleistungen, insbesondere in Bezug auf den Preis, im Allgemeinen als notwendiger, gewünschter und wirksamer Mechanismus in einer Marktwirtschaft. In den Sektoren, in denen die Dienstleistungserbringer besonders gut qualifiziert seien und strengen Bedingungen hinsichtlich ihrer Qualifikation unterlägen, werde Preiswettbewerb häufig als Bedrohung angesehen. Wie Preiswettbewerb diese besonders gut qualifizierten Menschen vom "Paulus zum Saulus" wandeln solle, bleibe ein Rätsel.

Selbst wenn die in der HOAI vorgeschriebenen Mindestpreise geeignet wären, das Ziel der Qualität von Dienstleistungen zu erreichen, wären sie nicht erforderlich. Es gebe eine Reihe von Maßnahmen, die sowohl die Qualität der Dienstleistungen als auch den Schutz der Verbraucher sicherstellen könnten: berufsethische Normen, Haftungsregelungen und Versicherungen, Informationspflichten, Pflichten zur Veröffentlichung von Tarifen oder zur Festlegung von Richtpreisen durch den Staat. Deutschland habe nicht nachgewiesen, dass die Wirkung der in Rede stehenden Bestimmungen zu Mindestsätzen die Qualität einer Dienstleistung und den Schutz der Verbraucher besser gewährleiste. Höchstpreise hingegen seien in der Tat geeignet, dem Ziel des Verbraucherschutzes zu dienen, da sie für Transparenz sorgten und vor überhöhten Honorarforderungen schützten. Deutschland habe jedoch nicht nachgewiesen, dass es nicht möglich sei, die Höchstpreise durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen zu ersetzen, die zu dem gleichen Ergebnis führten. Insbesondere sei nicht nachgewiesen worden, warum bspw. Preisorientierungen, die Verbrauchern eine konkrete Vorstellung davon ermöglichten, wie eine Dienstleistung üblicherweise vergütet werde, nicht wirksam ihre Interessen schützen würden. Quelle/Weitere Informationen: Europäischer Gerichtshof, Pressemitteilung vom 28. Februar 2019