BVerwG stellt Fehler fest – Autobahn A 20 darf zunächst nicht weitergebaut werden

November 2018

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 27. November 2018 den Planfeststellungsbeschluss des Verkehrsministeriums Schleswig-Holstein für den Neubau der Bundesautobahn A 20 im Abschnitt 4 (Autobahnkreuz A 7/A 20 bis B 206 westlich Wittenborn) vom 27. April 2017 für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt (Urteil: BVerwG 9 A 8.17, Beschluss: BVerwG 9 A 10.17).

Der planfestgestellte Abschnitt gehört zur „Nord-West-Umfahrung Hamburg", die bei Lübeck an die von Stettin kommende Ostseeautobahn anknüpft und in ihrem Endausbau unter der Elbe hindurch bis nach Niedersachsen verlängert werden soll. Das BVerwG hatte über die Klagen zweier Umweltverbände (BUND und NABU) und zweier privater Kläger zu entscheiden. Es hat auf die Klagen der Naturschutzverbände einzelne Fehler festgestellt, zahlreiche weitere Rügen jedoch zurückgewiesen. Das Verfahren der beiden privaten Kläger wurde ausgesetzt.

Einer der festgestellten Fehler betrifft das Verbot, den Zustand der von einem Vorhaben betroffenen Oberflächen- und Grundwasserkörper zu verschlechtern. Das Land hatte hierzu zwar schon in den Jahren 2015/16 einen wasserrechtlichen Fachbeitrag erstellen lassen, der auch öffentlich ausgelegt worden war. Dieser Fachbeitrag bliebe aber in Systematik und Prüfungstiefe erheblich hinter den rechtlichen Anforderungen zurück, wie das BVerwG feststellte. Wesentliche neue Untersuchungen, insbesondere zur Chlorid-Belastung der Oberflächenwasserkörper durch Tausalzeinträge, wurden erst während des gerichtlichen Verfahrens vorgelegt. Weitere Fragen warf diesbezüglich eine Umplanung der Regenrückhaltebecken und der ihnen vorgeschalteten Absetzbecken auf, die erst in der mündlichen Verhandlung des Gerichts zu Protokoll erklärt worden ist. Die damit zusammenhängenden Ermittlungen und Bewertungen seien nicht Aufgabe des Gerichtsverfahrens, sondern vielmehr eines ergänzenden Verwaltungsverfahrens, das der Beklagte noch durchzuführen haben wird, erklärte das Gericht.

Weitere Mängel beziehen sich auf das Naturschutzrecht. Nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf das europaweit bedeutsame Fledermaus-Habitat „Segeberger Kalkberghöhlen" mit rund 30 000 überwinternden Tieren seien nicht von vornherein auszuschließen und hätten deshalb einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bedurft, die aber unterblieben sei. Im Hinblick auf den Artenschutz für die durch das europäische Recht besonders geschützten Fledermausarten bestünden entsprechende Defizite, erklärte das BVerwG. Ferner hätte einem bereits im Verwaltungsverfahren geäußerten Hinweis auf weitere vorhabennahe Brutplätze einer geschützten Eulenart (Schleiereule) näher nachgegangen werden müssen.

Die festgestellten Fehler berührten nicht die Grundlagen der Planfeststellung, die im Übrigen unbeanstandet geblieben ist. Sie rechtfertigten daher nicht die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern nur die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit, erläuterte das Gericht. Diese gelte bis zum Abschluss eines ergänzenden Verwaltungsverfahrens.

Der Rechtsstreit der beiden privaten Kläger war mit Rücksicht auf eine dem Europäischen Gerichtshof schon in einem anderen Verfahren gestellte, aber noch nicht beantwortete Vorlagefrage auszusetzen (vgl. Beschluss des BVerwG vom 25. April 2018 – BVerwG 9 A 16.16 – Pressemitteilung BVerwG Nr. 26/2018 ). Bei dieser Vorlage geht es um Klagerechte der von einem Vorhaben betroffenen Öffentlichkeit im Hinblick auf das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot. Quelle: Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2018