Fünf Prinzipien für klimasichere Städte und Kommunen – Statement aus der Wissenschaft veröffentlicht

Juli 2021

Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen es drastisch: Wetter-Ausschläge werden extremer. Im Juli 2021 waren es extreme Niederschläge in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Sachsen, 2018 und 2019 litt Deutschland unter einer langanhaltenden Trockenheit und Hitze. Jüngere Klimastudien zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für beide Extreme zunehmen wird. Wie kann ein groß angelegtes Klimaanpassungsprogramm aussehen? Worauf muss geachtet werden? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 11 verschiedenen Institutionen haben unter Koordination des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und Beteiligung des Deutschen GeoForschungsZentrum fünf wesentliche Prinzipien definiert, an denen Städte und Gemeinden ihren Umbau für mehr Klimasicherheit orientieren sollten.

Viele ihrer Forderungen wurden bereits nach den großen Hochwassern 1993 und 1995 am Rhein bzw. im Nachgang der zerstörerischen Hochwasser 2002 und 2013 öffentlich gemacht. Mit ihrem Statement (Langfassung) wollen die Wissenschaftler deren Bedeutung nochmals unterstreichen. Die Prinzipien gehen über die Gemeinde- und Stadtgrenzen hinaus, da viele Maßnahmen zwar in Städten wirken, aber auf anderer räumlicher oder föderaler Ebene entschieden und umgesetzt werden müssen. Die Prinzipien sollen helfen, die Klimasicherheit von Städten und Gemeinden stärker zu priorisieren. Die Lösungen müssten allerdings immer im jeweiligen Kontext entwickelt werden, so die Wissenschaftler. Die Herausforderungen in den Mittelgebirgen mit seinen vielen kleinen Flusseinzugsgebieten seien andere als im Flachland. Während einige Prinzipien unmittelbar angegangen und zeitnah umgesetzt werden sollten (z. B. Frühwarnung und Bevölkerungsschutz), seien andere nur längerfristig umsetzbar (Umbau von Infrastruktursystemen, Steigerung der Speicherfähigkeit von Landschaften). Allerdings gelte: Auch für längerfristige Transformationsprozesse seien die Grundlagen zeitnah zu legen.

1. Frühwarnsysteme verbessern und den Bevölkerungsschutz stärken:
Auch für kleinere Flusseinzugsgebiete gilt es, die Vorhersage von Hochwasserwellen zu verbessern und zuverlässige Warnsysteme aufzubauen. Neben der Entwicklung von robusten Vorhersage-Modellen ist die Etablierung einer dauerhaften und verlässlichen Kommunikation mit Vertreterinnen und Vertreter von Städten und Gemeinden sowie den Bürgerinnen und Bürger vor Ort unerlässlich. Nur eine Warnung, die Menschen verstehen und der sie vertrauen, wird zu den gewünschten Handlungen führen.

2. Schwammfähigkeit und Speicherfähigkeit steigern:
Neben etablierten Schutzlösungen wie Deichen, Mauern und Poldern gilt es vermehrt, Gemeinden, Städte und Landschaften wie Schwämme zu konzipieren und den Wasserrückhalt in der Landschaft zu verbessern. Jeder Kubikmeter Wasser, der nicht über die Kanalisation in Bäche und Flüsse eingeleitet wird, trägt zur Abflachung von Hochwasserwellen bei, kann diese aber, wie bei den Ereignissen 2021, nicht verhindern. Daher gilt es, den Wasserrückhalt und das Speichervermögen von Flussauen, Wald- und Agrarlandschaften, aber auch in den dichter besiedelten Bereichen durch zusätzliche Grün- und Freiflächen zu steigern. Gerade für extreme Niederschläge sind zusätzliche Speicherräume und grüne Infrastrukturen so zu konzipieren, dass diese auch als Notwasserwege im Fall der Fälle vorbereitet sind. Ein hohes Speichervermögen für Wasser hilft nicht nur in Hochwasser-, sondern auch in Trockenzeiten.

3. Klimaprüfung von kritischen Infrastrukturen durchsetzen:
Bei der Sanierung, dem Wiederaufbau nach Katastrophen und dem Neubau von öffentlichen Infrastrukturen und Gebäuden – insbesondere sogenannten kritischen Infrastrukturen – gilt es, die Folgen des Klimawandels abzuschätzen und Bemessungswerte entsprechend zu erneuern. Dies schließt auch die Berücksichtigung von Kaskadeneffekten durch die Unterbrechung von Versorgungsleistungen in Infrastruktursystemen ein. Infrastrukturen (Versorgung mit Wasser, Strom etc.), das Rückgrat unserer modernen Gesellschaft, müssen so konzipiert werden, dass sie auch in extremen Wetterlagen funktionieren oder entsprechende Rückfalloptionen erlauben. Es ist nicht hinnehmbar, wenn gerade während einer Krise notwendige Kommunikationsnetze, medizinische Dienstleistungen und Einrichtungen ausfallen, da sie nicht hinreichend auf solche Extremereignisse vorbereitet sind.

4. Klimasicherheit von Gebäuden fördern:
Beim Wiederaufbau, Neubau bzw. der Sanierung im Bestand gilt es, die Klimasicherheit von Gebäuden von Anfang an mitzudenken und den Schutzstandard zu erhöhen, insbesondere auch von Einrichtungen, die besonders vulnerable Gruppen wie Kinder, Senioren oder behinderte Menschen beherbergen. Dafür bedarf es, ähnlich wie bei der energieeffizienten Sanierung, finanzieller Förder- und Anreizinstrumente sowie der Etablierung vorsorgeorientierter Versicherungsprämien. Auch bei Bauanträgen und Immobilienverkäufen sollten systematisch entsprechende Informationen über Starkregen- oder Hochwassergefahren bereitgestellt und abgefragt werden. Zukunftsherausforderungen im Gebäudebestand allein appellativ bzw. reaktiv meistern zu wollen, wird nicht ausreichen.

5. Gestaltungs- und Durchsetzungswille ist ebenso notwendig wie Kooperation und Solidarität:
Für den Umbau bedarf es des Innovations- und Gestaltungswillens auf Seiten von Städten, Gemeinden, Investoren und Privatpersonen ebenso des Einsatzes von Finanzierungs- und Anreizinstrumenten auf Seiten des Bundes bzw. der Länder. Es braucht durchsetzungsstarke Instrumente in der Planung sowie kohärente und standardisierte Rahmenwerke und Vorgehensweisen. Des Weiteren sind Nutzen und Lasten des Umbaus hin zu klimasicheren Städten und Gemeinden solidarisch zu verteilen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Gemeinden, die im Oberlauf von Flüssen mehr Raum für Wasser schaffen, werden davon nur indirekt profitieren; Gemeinden im Unterlauf aber unmittelbar, da das Überflutungsrisiko reduziert wird.
 

Das ausführliche Statement finden Sie unter: www.ufz.de/index.php?de=48382 Quelle/Weitere Informationen: Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Pressemitteilung vom 21. Juli 2021