Studie: Kinder profitieren von direkten staatlichen Geldtransfers

Januar 2019

Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse von Dr. Holger Stichnoth und seinem Team vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Laut Studie werden entgegen bestehender Vorurteile sogenannte Direktzahlungen von den Eltern in der Regel nicht zweckentfremdet – und etwa für Alkohol, Tabak oder Unterhaltungselektronik ausgegeben. Sie würden vielmehr in größere Wohnungen, aber auch in bessere Betreuung, Bildung und in die Hobbys der Kinder investiert. Zudem reduzierten Eltern aufgrund des Kindergeldes nicht ihre Arbeitszeit. Die Wissenschaftler untersuchten die Verwendung von zwei staatlichen Leistungen für Familien – das Kindergeld sowie das Landeserziehungsgeld in verschiedenen Bundesländern – für den Zeitraum von 1984 bis 2016.

Im Einzelnen fanden sie heraus: Je 100 Euro Kindergeld steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind eine Kindertagesbetreuung besucht, um fünf Prozentpunkte. Allein für den Zeitraum nach dem Jahr 2000 betrachtet, ist dieser Effekt mit zehn Prozentpunkten sogar noch größer: Offenbar haben seitdem frühkindliche Bildungseinrichtungen aus Sicht der Familien an Bedeutung gewonnen, zudem hat sich das Angebot an Kitas und Ganztagsschulen in dem Zeitraum verbessert. Darüber hinaus führen Direktzahlungen dazu, dass Kinder um acht Prozentpunkte häufiger zum Sport gehen. Mehr noch: Musikerziehung erhalten Kinder unter sechs Jahren um sieben Prozentpunkte häufiger, Kinder zwischen sechs und 16 Jahren sogar um elf Prozentpunkte häufiger.

Andere aktuelle Untersuchungen legten nahe, so die Bertelsmann Stiftung, dass bei zweckgebundenen Sach- und Geldleistungen – wie dem Bildungs- und Teilhabepaket – mit rund 30 Prozent ein erheblicher Teil der zur Verfügung stehenden Mittel für Verwaltungsaufwand verbraucht werde. Dazu komme, dass viele Bedürftige die Mittel gar nicht erst beantragen. Für den Vorstand der Bertelsmann Stiftung Jörg Dräger wird deshalb deutlich: "Direkte finanzielle Leistungen für Familien sind sinnvoller als aufwändig zu beantragende Sachleistungen. Das Geld kommt den Kindern zugute und wird nicht von den Eltern für ihre eigenen Interessen ausgegeben." Er folgert: "Eltern sollten nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Der Staat sollte den Eltern vertrauen und Entmündigung sollte nicht zur Regel werden."

Mit einem neuen Teilhabegeld gegen Kinderarmut
Um die Kinderarmut in Deutschland zurückzudrängen, müsse bei armen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien gezielt mehr Geld ankommen. Dazu, so Dräger, brauche es eine neue finanzielle Leistung, das Teilhabegeld. Es sollte sicherstellen, dass Kinder gut aufwachsen können sowie gute Bildung erhielten und würde bisherige staatliche Maßnahmen wie das Kindergeld, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, den Kinderzuschlag und die SGB-II-Regelbedarfe für Kinder bündeln.

Das Teilhabegeld würde für alle Kinder gelten – würde aber mit steigendem Einkommen der Eltern abgeschmolzen. "Anders als das Kindergeld erreicht es so gezielt arme Kinder und Jugendliche", so Dräger. Zunächst müssten laut Dräger "die tatsächlichen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen systematisch erfasst werden."

Darüber hinaus bräuchten Kinder und Jugendliche aber auch mehr und bessere Kitas und Schulen. Zudem gelte es, eine wirksame Unterstützung vor Ort mit vertrauensvollen Ansprechpartnern zu schaffen. Dort sollten Kinder, Jugendliche und ihre Eltern sich informieren können und beraten beziehungsweise unterstützt werden. Quelle/Weitere Informationen: Bertelsmann Stiftung, Pressemitteilung vom 23. November 2018

Download der Studie auf der Internetseite der Bertelsmann Stiftung