Wie kann der Genossenschaftsgedanke in Zeiten gesellschaftlichen Wandels bestehen – und welche Verantwortung liegt dabei auf allen Beteiligten? Diese Fragen erläuterte Kerstin Kirsch, Vorständin der bbg Berliner Baugenossenschaft, Ende November in der vhw-Bundesgeschäftsstelle in Berlin. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe vhw & friends hielt sie dort den Vortrag „Von 1886 bis heute: Was Genossenschaft kann, wenn Politik nicht mehr weiß, wie es weitergeht“.
Das dauerhafte Wohnrecht und die stabile Gemeinschaft sind demnach zentrale Vorteile einer Baugenossenschaft. Sie funktionieren jedoch nur, wenn Mitglieder, Mitarbeitende und das Management gemeinsam Verantwortung übernehmen. Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung bilden das Fundament des Miteinanders, das seit mehr als 130 Jahren Bestand hat – ungeachtet der Krisen, die die Gesellschaft heute prägen. Genossenschaften verstehen sich als Gegenmodell zur Vereinzelung: Was ein Einzelner nicht schafft, gelingt im Kollektiv. Gleichzeitig sind sie keine „Wünsch‑dir‑was“-Organisation. Wie jedes Wohnungsunternehmen müssen sie wirtschaftlich handeln, doch erwirtschaftete Mittel bleiben in der Genossenschaft und fließen nicht an externe Gesellschafter. Dieser Umstand muss aktiv kommuniziert und erlebbar gemacht werden, damit reale und ideelle Werte erhalten bleiben.
Die Herausforderung besteht darin, Werte wie Gemeinschaft, Verlässlichkeit und Solidarität zu pflegen – Werte, die in der heutigen Gesellschaft immer seltener werden. Die Genossenschaft ist dabei ein Spiegel der Gesellschaft: Wie Demokratie und Solidarität im öffentlichen Leben gelebt werden, zeigt sich Kirsch zufolge unmittelbar im genossenschaftlichen Alltag. Um den Genossenschaftsgedanken für die nächsten 100 Jahre lebendig zu halten, sei daher gezielte (genossenschaftliche) Bildung nötig. Projekte wie die Initiative „140 Jahre bbg. 140 gute Taten“ zeigen, wie einzelne Handlungen in Wohnungs‑ und Nachbarschaftsbereichen positive Impulse setzen können. Sie machen sichtbar, was jedes Mitglied konkret beitragen kann, und motivieren zum Mitmachen.
Kirschs Fazit: Der Blick zurück lehrt, dass kleine und große Taten das Genossenschaftsmodell stärken. Heute gilt es, diese Tradition an die Bedürfnisse und Werte der modernen Zeit anzupassen, Begeisterung zu schaffen und die Idee weiterzutragen – damit Genossenschaften auch künftig ein verlässlicher Anker in einer sich wandelnden Gesellschaft bleiben.