Die Debatten zum Einfamilienhaus (EFH) sind vielschichtig. Umso wichtiger ist der Blick aus unterschiedlichen Perspektiven für ein tiefgehendes Verständnis. Wir haben daher Mitglieder unseres Kuratoriums nach ihrer ganz eigenen Meinung gefragt: Welche Potenziale hat das EFH in Bestand und Neubau für die Zukunft von Stadtentwicklung und Wohnen? Im Kuratorium des vhw e. V. engagieren sich Menschen aus Wissenschaft und Praxis, um die Aktivitäten des Verbandes beratend zu begleiten. Wir danken herzlich für die inspirierenden Beiträge.
Das (eigene) Haus steht für Beständigkeit und Heimat. Es bedient das Bedürfnis nach einem Anker im Leben in einer für viele Menschen zu komplexen, zu veränderlichen und zu unsicheren Welt. Es steht für Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Lebensphasen. Raum wird nach Bedarf genutzt und verändert: für Kinder, für ein Homeoffice, für Hobbys und Ehrenamt, auch für Pflege und Betreuung einschließlich der Barrierefreiheit. Und es steht für Eigeninitiative: Selbsthilfe beim (Um)Bau, Nahrungsmittelproduktion im Garten, eigene Energieerzeugung.
Stephan Schmickler, Stadtbaurat und Beigeordneter a. D., Bergisch Gladbach


Fast die Hälfte der Wohnungen in Deutschland befinden sich in Ein- oder Zweifamilienhäusern – das zeigt ihre Bedeutung. Einerseits sind EFH der Traum vieler Menschen, andererseits ein erhebliches ökologisches Problem. Die Zukunft liegt daher in einer nachhaltigen Aufwertung des Bestandes – mit einer systemischen Betrachtung von energetischer Sanierung, Teilung von unternutztem Wohnraum, Erhalt der wertvollen Gartenstrukturen, städtebaulicher Aufwertung usw.. Chancen dafür bieten die EU-Richtlinie 2024/1275 und ein bestandsorientierter Wohnungsbau-Turbo.
Albert Geiger, Kommunalentwickler, Coach und Dozent an den Hochschulen für öffentliche Verwaltung Ludwigsburg und Kehl, Ludwigsburg in Zusammenarbeit mit Herbert Brüning, Dipl.-Biologe und Leiter der Stabsstelle Nachhaltiges Norderstedt in der Stadt Norderstedt
Die Wohnungskrise ist vor allem ein Verteilungsproblem. Millionen unterbelegter Einfamilienhäuser bieten ein großes Potenzial für eine bedarfsgerechtere Verteilung von Wohnraum. Um deren meist ältere Eigentümer und Eigentümerinnen zu Umzug oder Umbau zu motivieren und dabei zu unterstützen, braucht es geeignete planungs- und steuerrechtliche Rahmenbedingungen sowie ein aktives, quartiersbezogenes Transformationsmanagement. Kommunen, kommunale Wohnungsunternehmen, Genossenschaften oder Stiftungen sollten dabei kooperieren.
Stephan Reiß-Schmidt, Dipl.-Ingenieur und Stadtdirektor a. D., München


Das Einfamilienhaus hat in Deutschland eine Erfolgsgeschichte mit vielen positiven Auswirkungen auf Wohlstand, Vermögensbildung und Altersvorsorge. Zugleich zeigen sich schwerwiegende Nebenwirkungen wie der zwischenzeitliche Niedergang der Innenstädte, Suburbanisierung, Flächenverbrauch etc., aber auch der vielleicht unumkehrbare Verlust dörflicher Kultur im ländlichen Raum. Heute gibt es erneut einen eklatanten Wohnungsmangel in Teilen Deutschlands, gleichzeitig schlummern in der – statistischen – „Unterbelegung“ von Wohnraum im gebauten Einfamilienhausbestand durchaus erhebliche Versorgungspotenziale.
Gregor Jekel, Fachbereichsleiter Fachbereich Wohnen, Arbeit und Integration, Landeshauptstadt Potsdam
Einfamilienhäuser bieten je nach Raumkulisse verschiedenste Potenziale für die Zukunft von Stadtentwicklung und Wohnen. Im Bestand ermöglichen energetische Sanierungen eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes und Betriebskosten. Neubauten können nachhaltig und flexibel gestaltet werden, um sich an wechselnde Lebenssituationen anzupassen. Zudem fördern EFH soziale Integration und nachbarschaftliche Bindungen. Durch Smart Home-Technologien und digitale Infrastrukturen können Lebensqualität und Energieeffizienz gesteigert werden. Insgesamt tragen EFH zu einer nachhaltigen, lebenswerten urbanen Umgebung bei.
Klaus Illigmann, Abteilungsleiter HA I/2 "Strategische Entwicklungsplanung", Landeshauptstadt München
