Verbandstag 2025

Verbandstag 2025: Entscheidend is' auf'm Platz

Kommunen im Spannungsfeld von Staatsreform, Lösungsorientierung und künftiger Handlungsfähigkeit - lautete die Subline dazu. Moderatorin Petra Voßebürger führte neben den historischen Informationen zum Veranstaltungsort und organisatorischen Hinweisen ins Thema, das eher einem Langstreckenlauf gleiche. Am Eingang gab es für jeden Gast die frisch erschienene Ausgabe der Zeitschrift "Forum für Wohnen und Stadtentwicklung" (FWS), im Kurzbericht sind die Beiträge der Impulsgebenden verlinkt.

Einführung & Begrüßung

In der Begrüßung durch den vhw-Verbandsratsvorsitzenden Dr. Peter Kurz wurde gleich ein häufig genutzter Satz umgebaut in: Unser Umsetzungsproblem ist ein Erkenntnisproblem LinkedIn - statt: Wir haben kein Erkenntnis-,  sondern ein Umsetzungsproblem. Etwa 150 Gäste aus Kommunen von Brandenburg bis Nordrhein-Westfalen, aus dem Berliner Senat, aus Verbänden der kommunalen Familie und Wissenschaft folgten interessiert der Keynote und den zwei Diskussionsrunden im Berliner Humboldt Carré. Es gehe, so Kurz, vielmehr darum, die Realität in den Städten, also "auf'm den Platz", zu veränden. Wissen dafür zu erlangen, liege in der DNA des Verbands, betonte er und wünschte den Teilnehmenden eine gute Tagung. 

Dr. Peter Kurz: Die Wahrheit ist auf dem Platz“ Wie sich die Rolle der Stadt im Staat ändern muss, Beitrag in der FWS 5/2025

Politik zwischen Zukunftsorientierung und Gegenwartsbezug

In der Keynote von Prof. Dr. Armin Nassehi ging es um die Wahrnehmung der Gegenwart. Man brauche Erkenntnisse nicht nur in Bezug auf Ziele, das könne jeder, sondern vielmehr auf die Frage, wie man in einer komplexen Gesellschaft zu diesen Zielen komme, darüber wisse man relativ wenig. Natürlich werde viel nachgedacht und es ist viel Wissen bereits vorhanden, nur verändere sich immer wieder der Gegenstand der Betrachtung und das erfordere einen stetigen Erkenntnisgewinn.

Die Keynote von Prof. Dr. Armin Nassehi wird demnächst veröffentlicht!

Der Verwaltungsmensch der Zukunft

Einen 20minütigen Impuls zur ersten Diskussionsrunde "Verwaltungsmensch der Zukunft" gab Prof. Dr. Jürgen Kegelmann von der Verwaltungshochschule Kehl. "Mehr Lösungsorientierung mit weniger ... oder anderem Personal", so sein Titel. Er beschrieb am Beipiel der  lateinischen und griechischen Bedeutung von Personal = Maske und Gesicht zugleich das Gap zwischen Authentizität und Rolle (Maske), welches jeder und jede in sich trage und zugleich ausübe. Jede Organisation, ob Stadt, Abteilung oder Verband, habe eine Umsetzungsstruktur, die die Prozesse bestimme. Er stellte die Frage, ob die Strukturen noch geeignet seien, um unsere Ziele zu erreichen? Die These: Es gibt keine Systemänderung ohne Menschen, die sich verändern, und Menschen werden sich nicht verändern, wenn sich das System und die Spielregeln des Systems nicht ändern. 

Prof. Dr. Jürgen Kegelmann: Gleichnamiger Artikel in der FWS 5/2025

Diskussion "Verwaltungsmensch der Zukunft"

In der Runde ging es um die Anforderungen an neues Personal, wie auch die Kommune sich dafür verändern und öffnen müsse, wie sie Identität schaffe und darüber motiviere, aber auch wie sich die Ausbildung neuer Generationen für den Gestaltungsraum Kommune umstellen sollte. Moderator der Runde war Henning Dettleff, Zweiter Vorstand vhw e. V. und Bereichsleiter vhw Fortbildung. 

Henning Dettleff: Kommunen zwischen Paragrafen und Pioniergeist, Editorial in der FWS 5/2025

Diskussionsgäste

Wiebke Şahin-Connolly "Die Stadtverwaltung Zossen überzeugt als modere Verwaltung, wir verstehen uns als Team,  sind unkonventionell, aber dabei Profis", so die Bürgermeisterin der Stadt Zossen. Das Tragen von Verantwortung als Teil des Jobprofils zu verstehen sei in Zossen Teil der Verwaltungskultur - und das gelte es immer wieder zu betonen. "Verwalten ist Gestalten", so Şahin-Connolly.

Doreen Mohaupt ist seit 25 Jahren in der Verwaltung Cottbus und die Stadt mitten im Strukturwandel. Das brachte bereits viel Veränderung mit sich. So habe man derzeit 90 Prozent neue Mitarbeitende. Ein "Ich-kann-verantwortlich-sein" triggere Bewerbende, so die Bürgermeister der Stadt Cottbus. Vertrauen zur Kommunalpolitik sei dabei wichtig. Sie fahre seit jüngstem gern Riesenrad mit Rückkehrenden, was durchaus zum Erfolg für Einstellungen führe. Ein einheitliches Tarifsystem würde zudem helfen, Entscheidungen weniger finanziell zu priorisieren. Anpassungsfähigkeit sei heute zudem eine der wichtigsten Herausforderungen.

Albert Geiger, Kommunalentwickler, Coach und Dozent. Seit 2004 habe man in Ludwigsburg nachgedacht, wie die Herausforderungen der Zukunft zu meistern wären. Das habe die Stadt dazu gebracht zu fragen, wie Menschen gemeinsam Zukunft gestalten können. Führen stand also im Mittelpunkt. Genauso wichtig sei es, Gestaltungsräume zu eröffnen bzw. zu ermöglichen, denn diese suchen motivierte Gestalter. 

Albert Geiger: Gesucht: Menschen, die in unseren Rathäusern erfolgreich Zukunft gestalten, Beitrag in der FWS 5/2025

Vom Umkrempeln der Stadt: Planungshoheit der Kommunen zwischen Gestaltungsengpässen und Transformationserfordernissen

Stefan Thabe gab der zweiten Diskussionsrunde vorab seinen praxisnahen Impuls aus Herne, einer Stadt im Strukturwandel. Planungshoheit - es sei gut, sie zu haben, bestätigte er, die Engpässe seien oft das Geld zum Gestalten. Herne gehöre seit 1992 zum Haushaltssicherungsgebiet. Die ganzen erforderlichen Wenden überein zu bringen, sei für Herne ein große Aufgabe, so  Stadtrat Thabe. Die Stadt sei im Prinzip fertig gebaut, wunderschöne Straßenzüge mit viel unzerstörten Altbauten - aberauch  viel Sanierungslast. 94 Prozent des Wohnungsbaus findet auf vorgenutzen Flächen statt, da gehe die städtebauliche Transformation nur im Bestand.

Stefan Thabe: Gleichnamiger Beitrag in der FWS 5/2025

Diskussion "Von kleinen Schritten und großen Hindernissen"

Petra Voßebürger moderierte die Diskussionsrunde mit vier Gästen und fragte eingangs wie die Stadt einen selbst gewann und was vor Ort gelinge oder hemme. Nachfolgend ein kleiner Auszug.

Stefan Thabe habe der Oberbürgermeister überzeugt, der für die Stadt eine gute Vision entwerfen konnte. "Wir haben eine tolle Verwaltung, die reden ein offenes Wort und sind leistungsfähig", so Thabe.

Dr. Brigitta Ziegenbein, Leiterin des Stadtplanungsamts. Leipzig habe massive Schrumpfungen erlebt, das nachfolgende Wachstum hat bis 2016 vor allem im Bestand stattgefunden. Der OB habe vorgegeben, dass der Umbau für Wärmewende und Klimaschutz schön sein und Spaß machen solle. Unterirdische Infrastruktur zu ertüchtigen sei eher eine trockene Aufgabe. Diese mit der oberirdischen blau-grünen Struktur zu verbinden, rief nach einem Umsetzungskonstrukt. Erst müsse sich Verwaltung dazu eine klare Idee bilden. Demnächst gehe man zu dem ersten Pilotquartier Südstadt in die Öffentlichkeit.

Dr. Brigitta Ziegenbein Zwischen „Bauturbo“ und „Gesundheitsgerechtigkeit", Beitrag in der FWS 5/2025

Monika Thomas "Jedes Projekt braucht seine eigene Therapie", so ein Kernsatz von ihr. Welche Unterstützer wären zu holen, wie sind die Liegenschaftsverhältnisse, das seien vorab zu klärende Fragen, um die "Therapie" gut aufstellen zu können. Umsetzungen müssen zudem auch evaluiert werden, um zu schauen, ob die Therapie wirke. Das Dreieck von Idee & Vision, rechtlichem Rahmen und ökonomischer Seite gut zusammen zu denken, sei wichtig. Als bekennende BauGB-Fanin motivierte sie den vhw mit dem den Auftrag, "immer schön den Baukasten (Fortbildung) zu vermitteln".

Matthias zu Eicken Als Wohnungspolitiker gab es im Vorgespräch das Statement: Stadtentwicklung braucht Kleinteiligkeit! Privatpersonen seien selten Experten, die brauchen Unterstützung, um die gesamtgesellschaftlichen Transformationsaufgaben in ihrem oft kleineren Eigentum auch zu stemmen.

Matthias zu Eicken Lieber Innenentwicklungsmanager als Innenentwicklungsmaßnahmen, Beitrag in der FWS 5/2025

Und zum Schluss

ließ Prof. Dr. Jürgen Aring, Erster Vorstand vhw e. V., den Tag noch einmal Revue passieren. "Dieses 'Entscheidend is' auf'm Platz' hat was mit machen und gut machen zu tun", so Aring und ging dann durch die Veranstaltung, die Beschreibungen von Situationen, aber auch Botschaften und Feststellungen beinhaltete. So wurde im Vortrag von Dr. Kurz deutlich, dass es durchaus bei den Wegen zu den Zielen Erkenntnisprobleme gebe. Bei Prof. Nassehi blieb ihm eine Art Verlust der Gegenwart hängen, was in der Keynote deutlich wurde. Bei den Diskussionen wurden viele konkrete Situationen beschrieben, die wir ändern wollen, die aber auch größer eingebunden sind. So fiel ihm beim Vortrag von Prof. Kegelmann das Wort "Kultur" als eine Art Bewegungsgefüge auf. Auf dem Platz im Humboldt Carré waren heute motivierte Städte, die gute Kommunikation pflegen, neues Personal gewinnen und Herausforderungen angehen. So habe ihn der Impuls von Stefan Thabe aus Herne beeindruckt, weil dieses "Zum Jammern gehts uns zu schlecht" zwangsläufig zu einem Umkrempeln führe. "Alles, was passieren soll, muss auf den vorhandenen Stadtflächen geschehen, das ist unsere große Herausforderung der nächsten Jahre. Für manche dieser Prozesse haben wir Wissen, bei anderem sind wir noch nicht so weit. Zwar sind Leitvorstellungen klar, Wege liegen vor, erste Planwerke entstehen, aber dann kommt 'Auf'm Platz' mit kleinteiliger Gemengelagen, stumpf gewordenen Instrumenten ... - vielleicht ist jetzt die Zeit für ein neues 'Umkrempelungsstädtebauinstrumentarium'", schließt Jürgen Aring.

Gute Gespräche beim Get together